Canons 35mm/F1.8
35mm sei eine klassische Reporterbrennweite. Das schreiben alle und alle schreiben es voneinander ab. Ob dem wirklich so war, dürfte zumindest hinterfragt werden. Als Paparazzo lässt sich mit dieser ins leicht Weitwinklige gehenden Brennweite wenig ausrichten, will man Stars und Promis außerhalb des roten Teppich erwischen.
Schaut man sich die epochalen Fotografien eines Tazio Secchiaroli an, dürfte dieser Inbegriff des Starfotografen mit den unterschiedlichsten Bildwinkeln gearbeitet haben. An den frühen Mittelformatkameras Rolleiflex u.a. befanden sich zumeist 75- oder 80mm-Linsen, was gerechnet aufs Kleinbildformat einer Brennweite von 38 oder 44mm entspricht. Das Standardobjektiv beim Kleinbild war irgendwo bei 50mm oder leicht darüber angesiedelt. Bis heute ist 35mm Altglas aus der Produktion hüben wie drüben vergleichsweise selten anzutreffen. Kurz: Zweifel sind berechtigt.
Wer sich auf das aktuelle Canon RF-Bajonett einlässt, hat ein Problem mit preiswerten Objektiven. Also schaut sich der geplagte Lichtbildner an, was gibt es denn so. In der Youtube-Influencer-Szene gilt eine große Offenblende als hohes Gut. Jedes noch so unbedeutende Objekt resp. Model muss unbedingt frei gestellt werden, die Hintergründe verschwimmen im Matsch der Tiefenunschärfe, dessen Struktur als Bokeh (japanisch: unscharf, verschwommen) noch in jedem Test wortreich begutachtet wird.
Immerhin, ein paar interessante native Gläser bietet der nach Sony inzwischen zweitplatzierte ehemalige Marktführer an.
Das 35er mit einer Offenblende 1.8 gehört zur preiswerten Schiene der Japaner, und wie das unlängst beschriebene 85er lässt es mit einer geringen Naheinstellgrenze (17cm) sogar Großaufnahmen von makrotauglichen Motiven zu. Die Schärfe ist auf höchstem Niveau, ganz gleich ob offen oder abgeblendet. Im Nahbereich empfiehlt es sich, auf manuelle Fokussierung umzustellen. Angenehm und nützlich hierbei ist, dass die eingestellte Entfernung im Sucher angezeigt wird. Das Objektiv ist eine nette Ergänzung im Canon-Fuhrpark und fungiert zudem an einem APS-C-Bajonett (EOS R10) als Standardobjektiv mit umgerechnet 56mm. An der EOS R5 ergeben sich allein aufgrund der Pixeldichte interessante Möglichkeiten.